Ich bin wieder „dahoam“, d. h. auf Hochdeutsch „daheim“ bzw. zu Hause. Wunderbares Gefühl der Freiheit! Endlich ist man als Krückengeherin in der Minderzahl, im Supermarkt und auf der Straße. Obwohl – Phänomen der selektiven Wahrnehmung: Es laufen mehr Menschen mit Krücken herum als man denkt. Unfälle? Hüft-OP`s? Oder doch eher Knie? Sprunggelenke?
Eben in der Praxis meines Operateurs sind mir natürlich wieder etwas mehr Krückengeher über den Weg gelaufen und Menschen, die sich zu einer OP angemeldet haben. Bin ich froh, dass ich das hinter mir habe. Es könnte ja bisher der Eindruck entstanden sein, als sei so eine Hüft-OP ein Spaziergang. Keineswegs. Auch jetzt ächze ich noch bei meinen täglichen Dehn- und Muskelkräftigungsübungen. Fünf Wochen nach der OP ist noch nicht alles wie vorher. Aber Dr. Radke hat mich beruhigt: Ich habe einen 36er Kopf implantiert bekommen und der sei noch nie luxiert. Will sagen: Ich kann problemlos wieder alles machen, werde ab Ende Februar/Anfang März wieder Ski fahren und ab März/April wieder normal Golf spielen können. Was für wundervolle Aussichten!
Bis dahin heißt es trainieren. Die Reha-Klinik hat mir Kräftigungsübungen mitgegeben und meine Physiotherapeutin zeigt mir auch immer wieder, wie ich z. B. meinen musculus piriformis, meine Po-Muskel, stärken kann, der so wesentlich für die Streckung und damit am eleganten Abrollen beim Gehen beteiligt ist. Noch ist aber mein Gewebe innerlich damit beschäftigt, sich zu regenerieren und sich neu zu justieren. Rund um die drei Drainage-Löcher, aus denen das Blut und Wundsekret nach der OP abgeleitet wurde, fühlt sich der Oberschenkel durchaus noch gespannt an. Auch rund um die Narbe bin ich noch druckempfindlich, d. h. an schlafen auf dieser Seite ist nicht zu denken. Lieber nehme ich eine halbe Bauchlage ein, um den direkten Druck auf der Seite zu vermeiden. Mein Schnitt ist ja eher gerade genau an der Außenseite, dort wo etwa die Jeans-Naht verläuft. Der Schnitt der so genannten Garmisch-Hüften geht schräger zum Po. Diese TEP-Träger haben sicher andere Probleme.
Problemlos von Anfang an geht das Sitzen. Das Keilkissen steht längst gut verpackt im Keller. Aber ich merke, dass ich nach einiger Zeit am PC besser aufstehen sollte, um mich zwischendurch zu „entfalten“, sprich zu dehnen. Wir im Sitzen Tätigen haben ja allgemein sowieso das Problem verkürzter Oberschenkel-Muskeln. Also heißt es: Positionswechsel. Mal zwischendurch einen Tee kochen (Flüssigkeitshaushalt!), einen Lebkuchen schnappen (Energieschub), aufs Clo gehen, ein Telefonat im Stehen führen etc. Dann stützt man sich auf die Stuhl- oder Tischkante und stellt das operierte Bein nach hinten bis die Wade spannt – Spannung halten, wieder locker lassen. Das beidhändige Abstützen geht natürlich auch prima an jeder Wand. Dieses Stretching wirkt Wunder.
Apropos Wunder: Ich schwöre seit 1993 (!) auf die Fünf Tibeter. Das kleine blaue Bestseller-Büchlein von Peter Kelder, das damals für mich eine Erleuchtung war, gibt es immer noch zu kaufen. Natürlich findet man die Übungen auch online, etwa unter www.fuenf-tibeter.org. Jeden Morgen mache ich diese fünf verjüngenden (! ja!) Übungen auf der Matte zu entspannender Musik und bin überzeugt davon, dass ich meine Beweglichkeit dadurch um Jahre so verbessert habe, dass ich die Hüft-OP`s tatsächlich hinauszögern konnte. Auch kenne ich keine Rückenschmerzen und habe meinen Tennisarm damit kuriert. Das Geheimnis hier heißt für alle Geplagten: Stärkung der peripheren Muskeln statt Stoßwellen-Therapie oder sonstiger wirkungsloser Verfahren. Will sagen: Handgelenks- und Schultermuskeln stärken durch gezielte Übungen, etwa Liegestützen oder den vierten und fünften Tibeter, damit diese Muskeln den Zug vom dazwischen liegenden Ellenbogen nehmen. Weitere Hilfen: Computer-Maus links bedienen, Automatik-Auto fahren! Letzteres ist übrigens auch ein großer Vorteil bei einer Hüft-OP links, denn zum Gasgeben und Bremsen braucht man hier ja nur das rechte Bein. Wieder ein Stück Freiheit zurückgewonnen!