Geduld ist wirklich nicht meine Stärke – weder mit anderen noch mit mir selbst. Aber im Falle meiner beiden Hüft-OP`s habe ich gelernt, dass Ungeduld wirklich gar nichts bringt. Brav bin ich sechs Wochen lang mit meinen Unterarmstützen gegangen, auch wenn andere Mitpatienten schon stolz erzählt haben, dass sie lääääängst ohne gehen. Mein Operateur Dr. Jürgen Radke senior hat das so angeordnet – und daran habe ich mich gehalten. Er hat das mit dem so lange dauernden Heilungsprozess ebenso begründet wie mit dem damit erzielten Langzeiterfolg. Das Implantat braucht einfach Zeit, sich mit dem Körper zu verbinden – und umgekehrt. Schließlich ist so eine Titanhüfte ein Fremdkörper, der erst einmal von seinem Umfeld akzeptiert werden muss.
Apropos Unterarmstützen, vulgo Krücken genannt. Es empfiehlt sich, diese schon vorher zu besorgen (auch bei Kassenpatienten aufs Rezept), ergonomisch geformte Griffe zu wählen, um die Handflächen zu schonen, und gegebenenfalls schon mal vorher ein bisschen damit zu trainieren. Natürlich packt einen während der Reha ab und zu der Übermut. Auch ich habe im Zimmer mal einige Schritte ohne Krücken probiert, mich aber dabei immer irgendwo abgestützt. Da ist es ganz praktisch, dass die Einzelzimmer meist relativ klein sind – überall ist eine Wand, ein Tisch oder ein Bett als „Zwischen-Haltestation“. Sobald man sich aber unsicher fühlt, sollte man es wieder lassen.
Draußen, also außerhalb der geschützten Reha-Klinik, lauern genügend Unwägbarkeiten und Boden-Unebenheiten, die ich immer als zusätzliche Übungen angesehen habe. Bei Medical Park gibt es z. B. extra Training auf unebenem Untergrund wie Kies beispielsweise. Ich habe meinen Radius draußen täglich erweitert, bis ich mir auch hügeligere Strecken und kurze Waldwege mit Wurzeln zugetraut habe. Wohlgemerkt immer mit Krücken als Stütze und sehr aufmerksam. Gut ist es da sicher, jemanden an seiner Seite zu haben. Aber ein Glücksgefühl ist es auch, wenn man solche kleinen Siege ganz allein erlebt und ein bisschen stolz auf sich ist. Bei solchen Ausflügen sollte man nicht die mögliche Unfallgefahr im Hinterkopf haben, sondern ganz bewusst das Urvertrauen in den eigenen Körper aktivieren. So nach dem Motto „Der kann das schon, das schaffe ich.“
Ähnlich habe ich es mit meinem ersten 9-Loch-Golfspiel nach 12,5 Wochen und mit meinem ersten zweieinhalbstündigen Skiausflug nach 14 Wochen gehandhabt. Manche Menschen meinen, ich sei zu ungeduldig gewesen. Ich behaupte, ich habe genau gespürt, dass das möglich ist. Auch, weil ich diese Sportarten schon 24 bzw. seit 38 Jahren ausübe. Ähnliche Erfahrungsberichte bekommen Peter Herrchen und ich übrigens auch von unseren Blog-Lesern mit TEP: Eine nette Mailschreiberin saß just am vergangenen Sonntag nach 11 Wochen wieder auf ihrer Stute, obwohl Reiten sicher von keinem Operateur so richtig empfohlen wird. Aber sie ist aktive Dressurreiterin und weiß, was sie sich zutrauen kann. Ein aktiver Jogger fängt auch gerade nach 11 Wochen wieder langsam mit dem Laufen an. Mein Mitpatient Hubert, den ich gerade letzte Woche für unser Mutmach-Buch interviewt habe, ist nach 12 Wochen wieder Mountainbike gefahren. Natürlich erst langsam und vorsichtig, aber mit großem Genuss und ohne Unbehagen. „Das war für mich wie Weihnachten.“, schwärmt er noch heute von diesem Moment. Und Dressurreiterin Cécile spricht begeistert von „Höhenflügen“.
Denn schließlich haben wir uns alle operieren lassen, damit wir wieder „unseren“ Sport ausüben und uns an einem „bewegten Leben“ freuen können. Damit das möglichst lange so bleibt, achten wir vielleicht etwas mehr auf unseren Körper. Übermut wird rasch mal gedämpft, weil es hie und da zwickt. Schließlich müssen sich Muskeln, Sehnen, Bänder und Gewebe auch Wochen „danach“ noch an die neue Bewegungsfreiheit gewöhnen. Aber davon sollte man sich nicht irritieren lassen. Trotzdem ist die Kontrolle vom Facharzt wichtig, auch um sich weiterhin sicher fühlen zu können.
Ich zumindest gehe übermorgen, also knapp ein Jahr nach der ersten OP und ein halbes nach der zweiten, zu meinem Orthopäden zu einer Nachuntersuchung mit Röntgenaufnahme. Ich bin gespannt und werde berichten.
PS: Zum Buchstaben U gehört auch noch Ultraschall. Die so genannte Sonographie wird sowohl in der Klinik als auch in der Reha durchgeführt, um das Gewebe rund um die Narbe nach möglichen Hämatomen zu untersuchen bzw. später, um Thrombose-Anzeichen in den Beinen aufzuspüren. Und U wie Urlaub hat deshalb hier auch seinen Platz, weil die Zeit der Reha für mich wie ein Urlaub war. Schließlich befinden sich die meisten Reha-Kliniken in den schönsten Urlaubsgegenden – vom Tegernsee bis zur Ostsee. So sollte man das auch sehen und nicht mit seinem Schicksal hadern. Wann kommt man schließlich täglich ins Schwimmbad und hat dazu noch Vollpension?
„Höhenflüge“ und „Gefühle wie Weihnachten“, das ist es, was uns in unserem Doppel-Hüft-TEP-Schicksal verbindet und uns zu unserem gemeinsamen Buchprojekt geführt hat.
LG Peter – http://endoprothese.wordpress.com
danke für Deinen Bericht,meine op liegt erst 5 Tage zurück.meine schlechteste Eigenschaft ist meine Ungeduld. ich habe regelmäßig Tennis, Radfahren u. v. A. joggen betrieben. ich bin 68 und sonst gesund. in meinem Beruf als Musikproduzent bin ich jeden Tag sehr aktiv. Auf der google Suche : ungeduldig nach Hüft op“ bin ich auf deinen Beitrag gestoßen.
meine mail:peter.hoffmann@capellmeister.de
liebe Grüße , peter
Lieber Herr Hoffmann, alle guten Wünsche für den weiteren Heilungsverlauf! Keine Sorge: Es wird alles wieder möglich sein. Ein bisschen Ungeduld ist auch gar nicht so schlecht. Manchmal beschleunigen sich Prozesse dann sogar! Herzliche Grüße von Heidi Rauch