Ich bin mal wieder gestürzt! Langsam entwickle ich eine Phobie gegen diese Putzmaschinen in Supermärkten. Aufmerksame Leser dieses Blogs kennen sicher meine winterliche Geschichte, als ich frühmorgens in unserem Edeka-Supermarkt auf der Putz-Rutschspur eines solchen Ungetüms ausgerutscht – und rechts auf meine Hüfte gefallen bin. Meine wie bei allen Frauen prallgefüllte Umhängetasche dämpfte diesen Sturz praktischerweise so, dass alles glimpflich ablief (bis auf einen großen blauen Fleck).
Diesmal kam die Putz-Attacke mittags. Wobei ich mich frage, warum um Himmels willen an einem sonnigen Tag, an dem erwiesenermaßen kein dreckiger Matsch oder Schnee an den Sohlen der Einkaufenden klebt, eine Putzmaschine durch die Reihen kriechen muss. Ich ging also mit gut gefülltem Einkaufs-Stoffbeutel (Bio-Milchflasche, Bio-Eier u. a.) nichtsahnend am Milchregal entlang, als ich meinen Namen hörte. Ironischerweise handelt es sich bei der Rufenden um eine meiner Mitpatientinnen aus der 2. Hüft-Reha. Ich drehte mich nach der Stimme um – und schon lag ich auf dem Hosenboden. Ausgerutscht auf dem rechten Fuß, der in flachen (!) Sportschuhen steckte. Sofort kamen die Putzdame als auch meine Reha-Freundin angelaufen und erkundigten sich nach meinem Befinden bzw. die Putzdame schaute erst, ob die Glasflasche und die Eier heil geblieben waren! Ja, die sind noch heil, aber mein rechter Fuß hat sich beim Ausrutschen und offensichtlichen Abfangen des Sturzes unheilvoll verdreht. Der Rest: intakt, wie sich nach kurzer Inspektion meiner Gliedmaßen herausstellte.
Diesmal habe ich den Vorfall der Marktleitung gemeldet, denn wozu gibt es diese schönen Warnschilder „Achtung! Rutschgefahr!“ wie man sie bevorzugt in den USA an jeder Ecke sieht („Caution! Wet floor!“). Klar, in den Staaten drohen auch drastische Schmerzensgelder, wenn so eine Gefahrenstelle nicht richtig abgesichert ist. Sowohl die Putzdame als auch die Vertreterin der Marktleitung gaben sich zerknirscht – und mir Recht. Was aber nutzt mir das, wenn – im schlimmsten Fall – eine meiner Hüft-TEPs angeknackst worden wäre. Denn natürlich ist der erste Gedanke bei stürzenden TEP-Trägern: Hoffentlich ist meinem Titan-Goldstück nichts passiert!
Wie also kann man sich gegen solche Stürze wappnen? Erste Antwort: Gar nicht, weil sie (sic!) überall aus heiterem Himmel passieren können. Wir können ja nicht mit zehn inneren Kameras und einem Anzug à la Michelin-Männchen gepolstert herumwandern, um dann doch beim Schritt aus dem Bett über die eigenen Hausschuhe zu stolpern (ist einer sehr vorsichtigen Bekannten von mir tatsächlich passiert!). Auch mein lieber Hüft-Mit-Buchautor Peter Herrchen hat sich seine Schulter-Verletzung nicht bei seinen (gefährlichen) Mountainbike-Touren zugezogen, sondern (darf ich das eigentlich erzählen?) beim Rückwärtshineinfallenwollen in den heimischen Sessel, wobei der Sessel unerklärlicherweise weiter weg stand als er dachte.
Zweite Antwort: Man kann das Fallen optimieren. Jüngst ist mein lieber Ehemann bei einem morgendlich unausgeschlafenen Tritt ins Leere die steinerne Außentreppe an unserem Haus in Italien heruntergefallen. Dass er sich nicht sämtliche Knochen inklusive Genick gebrochen hat, führt er auf seine einstigen Torwart-Qualitäten (abrollen) zurück! Dazu muss man sagen, dass diese sportliche Aktivität rund 45 Jahre zurückliegt und mein Mann seitdem stetig an Größe und Gewicht zugelegt hat, bis er sich auf seine heutigen ca. 100 Kilo eingependelt hat. Da wirken ganz andere Fliehkräfte. Trotzdem: Es blieb bei Prellungen und Abschürfungen. Hat der Körper tatsächlich so ein Langzeitgedächtnis? Auf jeden Fall hilft offensichtlich eine Art Bewegungskompetenz, ein eingebauter Sicherheitsreflex.
Trainieren Sie Ihre Bewegungskompetenz!
Und genau dies gilt es zu trainieren! Womit? Natürlich mit täglicher Bewegung! Gerade im Alter wird es ja nicht besser mit unserer Standfestigkeit. Überall lauern Gefahren, wie z. B. jetzt nasses Herbstlaub und in Kürze wieder Eis und Schnee. Da helfen uns die kleinen inneren Muskeln, die mittels Faszientraining (Bellicon-Schwing-Trampolin!) wachsam und flexibel sind. Sie unterstützen im wahrsten Sinne des Wortes die großen Muskeln, die – wie in meinem Fall – täglich bei einer 15-minütigen Morgengymnastik beansprucht und gedehnt werden. Eigentlich ist es egal, wie man sich bewegt. Hauptsache man tut es täglich!
Meine inzwischen 87-jährige Mama hat in jüngster Zeit auch zwei Stürze relativ glimpflich überstanden. Sie ist noch kleiner als ich, ist schlank – und immer so wieselig-schnell unterwegs wie ihre Tochter. Manchmal zu schnell, manchmal zu aktionistisch. Aber sie macht all ihre Gänge (Zeitungholen, Einkäufe, Besuche bei meiner 102-jährigen Tante im Seniorenheim etc.) zu Fuß! Und sie macht wie ich morgens ihre Fünf Tibeter. Dass sie es dabei bei der ersten Übung, dem Drehen um die eigenen Achse, unbedingt einmal andersherum probieren wollte, hat ihr übrigens Sturz Nummer Drei beschert. Ja, ja, auch bei der Gymnastik kann man sich verletzen!
Trotzdem: Ich bin der festen Überzeugung, dass z. B. auch sogenanntes Vibrationstraining auf den entsprechenden Plattformen (Plate One z. B. *, s. unten), die es eigentlich in jedem Altenheim geben sollte, das Muskelkorsett entscheidend stärkt. Eine andere Form dieser Sturzprävention, vor allem für Menschen unseren Alters, heißt Achtsamkeit. Ein derzeit stark überstrapazierter Begriff vor allem im Hinblick auf den gestressten Menschen, der am Rande des Burnouts balanciert. Stichwort Entschleunigung. Dabei geht es um nichts mehr und nichts weniger als Aufmerksamkeit für das eigene Tun, und zwar im Hier und Jetzt. In der Psychotherapie nennt man das Aktualitätstraining. Eine Übung ist etwa, sich auf einem Weg von A nach B genau die Bäume und Bänke einzuprägen, an denen man sonst achtlos vorbeihastet. Das kann inmitten all der Hektik, in der wir gern schon geistig durchspielen, was noch so zu erledigen ist und wie wir das alles schaffen können, sehr nützlich sein.
Was bleibt nach so einem Sturz, ist der Schock, das Trauma. Wie geht man damit um? Eine Freundin, die sich gerade bei einem Sturz kopfüber (Steinkante übersehen!) das linke Handgelenk gebrochen hat – zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren wohlgemerkt – erzählte mir gerade, dass sie sich kaum noch vor die Haustür traut. Auch Hüft-Patienten mailen uns diese Ängste häufig. Sie schützen sich bei Radltouren und beim Skifahren mit Hüftprotektoren. Gute Idee. Aber im Alltag? Wie gesagt: Wackeltraining! Rollen Sie mal ein Handtuch und legen sich das beim Zähneputzen unter die nackten Füße. Wenn Sie die Balance verlieren, können Sie sich ja am Waschbecken festhalten. Das ist die günstigste (es gibt natürlich auch Wackelkissen zu kaufen) Methode, um ihr Bindegewebe, die Faszien, die tiefer liegenden Stützmuskeln – wie immer Sie es nennen wollen – auf die Unbillen des Alltags vorzubereiten.
Übrigens habe ich gerade einen Kuchen für die arme Freundin mit dem Handgelenk-Bruch gebacken, die uns morgen zum Brunch eingeladen hat. Diesen Orangenkuchen soll ich stürzen. Mache ich nicht. Ich nehme ihn in der sicheren Kastenform mit und stürze ihn auf dem sicheren Tisch vor unseren Tellern – zum sofortigen Verzehr! Aber keine Angst: Das ist jetzt keine Sturz-Phobie, sondern nur ein witziger Schluss dieser hoffentlich nicht überstürzten Überlegungen.
*Erläuterung dank einer Leserin-Reaktion: Ja, inzwischen weiß man, dass Vibrationstraining keineswegs zur Lockerung eines Implantats beiträgt. Vielmehr wird ein richtig dosiertes Kraft- und/oder Bewegungstraining empfohlen, um einen muskulären Gelenkschutz und ein stabiles knöchernes Lager aufzubauen. Gute muskuläre und koordinative Fähigkeiten reduzieren hierbei die auf das Gelenk einwirkenden Kräfte und tragen damit indirekt zur Verlängerung der Prothesenstandzeit bei.
Bei Hüft-TEP`S können beidbeinige Standübungen durchgeführt werden, da eine vergleichsweise lange Dämpfungsstrecke bis zum Implantat vorhanden ist und die dämpfende Muskulatur in Längsrichtung zur Vibrationshauptbewegungsrichtung stimuliert wird.