Hüft-Patienten können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, ein einmal hinkendes Gangbild nach erfolgreicher TEP-OP wieder ins Lot zu bringen. Unser Körper hat die falsche Bewegung so lange abgespeichert bis er sie als normal empfindet und selbst gar nicht mehr wahrnimmt. Selbst nach Wegfall der Ursache will die Hinkerei sich immer wieder einschleichen. Eiserne Gangschule, Training vor dem Spiegel, aufmerksame Weg-Begleiter zeitigen irgendwann dann doch Erfolge. Stolz werden auch in unserer geschlossenen Facebook-TEPFIT-Gruppe immer wieder Videos von einem wieder geraden Gangbild gepostet.
In unserem Mutmach-Ratgeber „Mut zur neuen Hüfte!!“ haben wir u. a. von Skifahrer Felix Neureuther und seinem Training mit Life Kinetik berichtet. Diese Methode fußt auf der Erkenntnis, dass unsere Bewegungen vom Gehirn gesteuert werden. Das Muskelgedächtnis muss also vom Kopf her umgepolt werden. Das gelingt mit gezielten Übungen, die neue Synapsen entstehen lassen. In der Gruppe ist das besonders lustig: Man wirft sich verschieden farbige Bälle zu und muss bei jeder Farbe den dazu passenden Begriff/Namen sagen und noch einen Schritt nach vorn oder zur Seite gehen. Wie leicht man da durcheinander kommt!
Durch ein Welcome-Golfturnier für Neu-Mitglieder im Golfclub München Eichenried habe ich eine neue Methode kennengelernt, die mir effektiver und im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltiger erscheint: Neurotrim. Es geht um Neurofitness, also ein fittes Gehirn, das uns hilft, bis ins hohe Alter beweglich zu bleiben. Erfinder ist Tennistrainer Michael Schiff, der diese Trainings- und Therapiemethode seit 2010 in Tübingen entwickelt hat und nun mit seinem Sohn Maximilian, einem ehemaligen Basketballspieler, computergesteuert verfeinert. Deutschlandweit gibt es erst wenige ausgebildete Personaltrainer. Mein Mann Michael und ich waren in der Münchner Isartalstraße und haben eine 90-minütige Diagnostik absolviert.
Herzstück ist eine Wackelplattform, die wir Hüftis alle aus der Reha kennen. Auch die rettenden Haltegriffe sind in Reichweite – und die Arme des Trainers ebenfalls. Davor ein Bildschirm, der mit der flexibel einzustellenden Plattform verbunden ist. Nun gilt es, mit einem Fuß, 30 Sekunden lang einen Punkt in einem Kreis zu halten. Erst bleibt der Kreis brav an seinem Platz, mit steigendem Schwierigkeitsgrad bewegt er sich, der Fuß soll eine 8 nachzeichnen etc. Unerbittlich zeichnet das Gerät auf, wie viel Prozent man schafft. Uff, gar nicht so leicht. Aber das Gehirn ist lernfähig. Beim zweiten Durchgang klappt die Ansteuerung besser.
Nächste Aufgabe: Einbeinstand. Leser*innen meines Titanhüften-Blogs wissen: Ich trainiere täglich auf einem Bellicon-Trampolin, bin eine Verfechterin von einbeinigem Zähneputzen oder Haarefönen. Tatsächlich gelingt mir das erstaunlich gut. Mein Hirn signalisiert: Es wackelt zwar, ist aber nicht gefährlich, das kenne ich. Anders mein Mann Michael. Er sagt sofort: Das kann ich bestimmt nicht. Und self fulfilling prophecy: Der Haltegriff wird binnen zwei Sekunden umklammert.
Vater und Sohn Schiff erzählen daraufhin von älteren Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, überhaupt ein Bein auf die Plattform zu stellen. Ihr Gehirn hat gelernt: Es ist sicherer auf zwei Beinen zu stehen, sonst stürzt Du. Nach ein, zwei Neurotrim-Einheiten lernt ihr Hirn aber erstaunlich schnell: Geht ja doch, ist nicht gefährlich. Sie haben buchstäblich Zu-Trauen gewonnen, das ihnen niemand mit gutem Zu-Reden vermitteln kann. Das müssen sie selber erfahren. In diesem Fall in einem geschützten Raum mit einem erfahrenen Trainer.
Michael Schiff berichtet von erstaunlichen Erfolgen mit MS-Patienten, aber auch mit Leistungssportlern, die ihre in ihnen schlummernden Fähigkeiten nicht 100-prozentig ausgeschöpft haben. Seine Vision: Wir können alle fit bleiben bis ins hohe Alter von 100 Jahren! 10 Einheiten sind im Winter gebucht – zunächst für Michael. Und wenn er mich dann eingeholt hat, dann lasse auch ich mich neurotrimmen!